Praktikum in Indien 2014

Teaching in a School for all kinds of disabilities

von Charlotte Wolfmaier

Meine Reise nach Indien fühlte sich anfangs an, wie ein Sprung ins kalte Wasser oder besser gesagt in den heißen, schwülen Lebensalltag der Menschen ganz im Süden Karnatakas. Niemals zuvor hätte ich mir träumen lassen, wie mein Alltag in den darauffolgenden drei Monaten aussehen könnte.

Bereits am Flughafen in Mangalore schloss mich mein Gastvater direkt in die Arme und begegnete mir mit einer Gastfreundschaft, wie ich sie noch nie erlebt habe. Voller Herzlichkeit wurde ich von meiner Gastfamilie, die aus meinem Gastvater Sadashiv und meiner Gastmutter Harini, sowie meinen zwei Brüdern und einer liebenswerten Großmutter bestand, empfangen und wie eine Tochter aufgenommen.

Meine Gasteltern sind nicht nur die Gründer und Förderer der Sandeep Special School in der ich arbeiten sollte, auch setzten sie sich für die Bildungs- und Lebenschancen von Kindern und vor allem Frauen aus ärmeren ländlichen Gegenden ein.

Das Projekt der Sandeep Special School existiert bereits seit über zehn Jahren und zielt auf eine entwicklungsgerechte Förderung von Kindern mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen ab. Gleichzeitig scheint die Schule einen Ort darzustellen, an dem sich die Kinder voller Freude ihrem Schulalltag widmen können und sich als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft sehen. Der Stellenwert dieses Projektes wird vor dem Hintergrund ersichtlich, dass Menschen mit Behinderungen in weiten Teilen Indiens immer noch aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind, von den eigenen Familien als Belastung und Scham empfunden und regelrecht vor der Öffentlichkeit versteckt werden. Nichtsdestotrotz durfte ich Menschen kennenlernen, welche sich mit einer unglaublichen Leidenschaft für diese Kinder einsetzen und sich nicht von der gegenwärtigen Situation entmutigen lassen.

Eine Solche Person ist Vanitha, eine der Lehrerinnen an der Sandeep Special School. Sie organisierte oft den kompletten Schulalltag alleine und versuchte jedem einzelnen Kind gerecht zu werden. Ein ganz gewöhnlicher Schulalltag startete morgens um 10 Uhr mit Yoga, Gebeten sowie Liedern und Tänzen. In der Zeit bis zum Mittagessen wurde unterrichtet. Es war nicht immer leicht eine entwicklungsgemäße Förderung anzubieten, vor allem da die Schule in vielen Bereichen nur unzureichend ausgestattet ist. So fehlte es oft schon an den einfachsten Dingen wie Papier und Stiften, was Unterricht wie wir ihn in Deutschland kennen oft unmöglich machte. Auch behinderte die Gruppenheterogenität, durch die verschiedensten Arten und Ausprägungen der Beeinträchtigungen den Unterrichtsablauf. Beispielsweise hatten vier Kinder das Down Syndrom, zwei waren taub, zwei körperlich behindert und viele zeigten Anzeichen einer Lernbehinderung auf. Fast alle Kinder benötigten eine Physio-, Ergo- oder Sprachtherapie, was angesichts der fehlenden Fachkräfteabdeckung in der Region nicht möglich ist. Dennoch versuchte man mit eigens konzipierten Übungen die Kinder zu fördern oder externe Fachkräfte einzuladen, ein erster Schritt zur Kompensation der Mängel. In meiner dreimonatigen Praktikumsphase konnte ich oft individuelle Angebote für eine kleine Gruppe von Kindern anbieten, um so die fehlenden therapeutischen Maßnahmen, wenigstens ausgleichen zu können. Ich konnte aber bei Weitem nicht den gesamten Bedarf abdecken.

Die Kleinstadt Sullia, in der sich die Sandep Special School befindet, liegt im Bundesstaat Karnataka in dem größtenteils Kannada gesprochen wird. Dieser Faktor schränkte zu meiner Überraschung die Verständigung mit den Kindern jedoch kaum ein. Wir kommunizierten mit Händen und Füßen, was erstaunlich gut funktionierte, lediglich mehr Zeit und Geduld forderte.

Wieder zurück in Deutschland bleibt zum einen die Erinnerung an drei unvergessliche Monate mit tollen Erlebnissen in einem anfangs fremden Land. Durch die überwältigende Gastfreundlichkeit, die mir meine Familie, aber auch die Menschen vor Ort entgegen gebracht haben, fiel es mir nicht schwer mich dort wohl zu fühlen.

Praktikum an der Sandeep Special School in Sullia, Karnataka (Indien)

Januar 2014 bis April 2014